Theater der EMS Schiers: Göttliche Suche nach dem Guten
Von Beginn an spürte man die Ernsthaftigkeit, mit der das Ensemble an seine Aufgabe heranging, auch zu erkennen an der gebannten Stille innerhalb des jungen Publikums in der alten Turnhalle. Nichts wirkte beiläufig oder dekorativ. Jedes Wort wurde getragen von Bedeutung, jede Geste schien das Resultat einer präzisen inneren Entscheidung. Dabei gelang es den Darstellern:innen, allen voran Protagonistin Frida Ensmann in einer Doppelrolle, diese Ernsthaftigkeit nie in Schwere kippen zu lassen. Sie blieb lebendig, atmend, durchzogen von feinen Zwischentönen und Momenten zurückgenommener Komik, die wie kleine Atempausen wirkten. Diese Balance aus Konzentration und Leichtigkeit verlieh der Aufführung ihre besondere Intensität – auch durch kleinere Rollen, gespielt unter anderen von Anna-Sophia Rohn, Lena Camenisch oder Ella Schnyder.
Besonders eindrucksvoll fügte sich das musikalische Element in das Spiel ein. Glasklarer Gesang ohne Begleitung in verschiedenen Szenen und das Gitarrenspiel von Laurin Rupf standen nie ausserhalb der Handlung, sondern wuchsen aus ihr hervor, wobei Mattia Ingellis als Musikalischer Leiter auch Lieder speziell für diese Inszenierung komponierte.
Das Bühnenbild war eine Offenbarung – ein Triumph der Andeutung über die Ausgestaltung, des Raums über das Material. Mit bewundernswerter Kühnheit verzichtete das Bühnenbild auf jeden überflüssigen Zierrat und schuf gerade so ein Universum an Möglichkeiten. Regelmässige Besucher des EMS-Theaters mögen darin die Handschrift der Regisseurin Hartmann erkennen. Und ganz nach Brecht wurde die so genannte vierte Wand zwischen Bühne und Publikum mehrfach durchbrochen. So tauchten aus dem hinteren Bereich des Publikums aus Nebelschwaden die drei Göttinnen auf, gespielt von Salome Odermatt, Sophie Huyssen und Rosa Ebinger, auf der Suche nach dem titelgebenden «guten Menschen». Oder wurden die Zuschauer:innen direkt angesprochen und so integriert.
Kann ein Mensch in einem ausbeuterischen System gut sein beziehungsweise moralisch handeln und gleichzeitig erfolgreich sein? Die gütige Shen Te löst die Aufgabe, indem sie sich nach Bedarf in den rücksichtlosen Shui Ta verwandelt. Die zeitlose Frage nach ethisch vertretbarem Handeln stellte die EMS-Inszenierung klar ins Zentrum. Eine einfache Antwort blieb sie aber ganz nach dem Autor Brecht mit dem offenen Schluss schuldig: «Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/Den Vorhang zu und alle Fragen offen.» So beeindruckte die Darbietung des Theaterensembles selbst und auch mit der Aufforderung, selbst Antworten zu finden, nachhaltig.
Text: Iris Geissler, Fotos: Van Schaer
Schauspieler:innen:
Matteo Biancu, Monique Boller, Sarah Caluori, Larina Clavadetscher, Lena Camenisch, Rosa Ebinger, Frida Ensmann, Sofia Giger, Sophie Huyssen, Elia Ingellis, Mattia Ingellis, Elena Kessler, Valentina Lötscher, Ramona Martinez, Nanouk Mathis, Salome Odermatt, Elisabeth Odermatt, Katharina Odermatt, Anna-Sophia Rohn, Laurin Rupf, Amélie Schmidt, Ella Schnyder, Mia Zimmermann.
Regie / Ausstattung: Ursina Hartmann
Musikalische Leitung: Mattia Ingellis
Komposition: Mattia Ingellis, Frida Ensmann
Licht: Reto Müller
Schreinerei: Joel Ritter
Technik: Michael Künzler, Marcel Lötscher
Grafik: Daniel Rohner
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